Südwestpresse Fachbeiträge
Garten im Wandel
Keine Angst vor der Klima-Veränderung
Die fortschreitende Erderwärmung mit ihren Auswirkungen auf das Klima verlangt Umdenken vom Gärtner. Vorausschauende Maßnahmen und eine angepasste Pflanzenwahl gleichen die Veränderungen aus.
Laue Winter und heiße Sommer hat es immer schon gegeben. Doch Durchschnittswerte belegen den schon jetzt spürbaren Klimawandel. Demnach ist die Vegetationsperiode bereits um rund zehn Tage länger geworden, die Winter sind im Schnitt milder, im Sommer erleben wir wochenlange Trockenzeiten. In Zukunft werden extreme Wettersituationen häufiger auftreten. Wir müssen mit heftigen Regenfällen, Sturmböen und Hitze rechnen.
Wir erleben es nicht mehr, dass in Mitteleuropa im Freien Zitrusfrüchte reifen, doch wärmebedürftige Obstarten profitieren jetzt schon von der leichten Temperatur-Erhöhung: Aprikosen und Pfirsiche reifen zuverlässiger, Obstbau ist in höheren Lagen möglich, Süßkirschen erleiden seltener Schäden durch Spätfrost.
Wir können damit rechnen, in Zukunft Gemüse ganzjährig zu kultivieren. Dazu begünstigen die wärmeren Sommer neue Kulturen: Erdmandeln etwa, Kiwanos alias Zackengurken oder bald vielleicht Melonen. Auf jeden Fall gedeihen Artischocken besser und Rosmarin erfriert nicht mehr zwangsläufig im Winter.
Der Eigenanbau wird sich auf absehbare Zeit lohnen: Gestiegene Energiepreise bei immer weiteren Entfernungen für den Transport der erwerbsmäßigen Ernte werden zu höheren Preisen für Obst und
Gemüse im Handel führen. Da sind Leute mit eigener Scholle im Vorteil. Damit der Anbau gelingt, muss der Hobbygärtner besser Vorsorge leisten als bisher. Es wird nötig sein, Regenwasser, das unregelmäßiger, aber oft im Übermaß fällt, aufzufangen. Dafür bieten sich Zisternen oder regengespeiste Wasserflächen an. Feuchtigkeit muss im Boden bleiben. Dazu trägt eine Mulchschicht aus Steinen oder organischem Material bei, die vor übermäßiger Verdunstung schützt.
Zur Bodenpflege gehört nicht nur die Versorgung mit organischer Substanz, um die Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe zu erhöhen. Für Gehölze braucht es Fingerspitzengefühl, damit sie gegen Ende des Sommers ihr Wachstum einstellen und das Holz ausreifen kann. Treiben sie in den milden Herbstwochen immer noch nach, drohen die Triebe im Winter zu erfrieren. Nährstoffarmer, mit Sand oder Splitt vermischter Boden kann sie zum rechtzeitigen Wachstumsstopp zwingen. Bei der Auswahl sollte man auf Arten achten, die Frost aushalten, jedoch eine mehrwöchige Sommertrockenheit überstehen. Gute Überlebenschancen haben in Zukunft viele Gehölzarten, deren Winterhärte bisher als kritisch galt, etwa Orangenblumen, Lorbeer-Schneeball, Chinesische Nusseibe, Himmelsbambus.
Was die krautigen Pflanzen im Staudenbeet betrifft, werden wir uns umorientieren müssen. Die Sommerblüher Phlox und Rittersporn tun sich schwer mit heißer, trockener Witterung. Sie brauchen einen Platz, der während der Mittagszeit im Schatten liegt. Als Zierblumen kommen zusehends Arten der Steppen und Prärien in Frage, die an die Trockenheit im Sommer gut angepasst sind. Die Auswahl ist groß: Indianernesseln und Purpurscheinsonnenhut in Rot, Purpur oder Pink, Kokardenblumen oder Nachtkerzen bringen gelbe Farbtöne. Dazu kommen violettes Eisenkraut, weiße oder gelbe Königskerzen und graulaubige Artemisien. Zwiebelblumen sind durch ihr Speicherorgan von Haus aus dafür eingerichtet, widrige Trocken- und Kältezeiten zu überstehen. Sie werden in Zukunft an Bedeutung als Zierpflanzen gewinnen.
Aus der Not macht man eben am besten eine Tugend, etwa in Gestalt eines Mittelmeergartens mit duftenden Kräutern. In prallsonnigen Lagen kann man ein Sukkulentenbeet mit Kakteen, Agaven, Wolfmilchgewächsen und Yucca anlegen. Dazwischen leuchten die Blüten von Lewisien. Doch der Feind vieler Sukkulenten ist übermäßige Nässe an den Wurzeln. Fällt anstelle von Schnee Regen, muss das Wasser im Boden rasch abziehen können, sonst faulen die Wurzeln. Es kommt also nicht nur auf die Kältegrade an.
Insekten im Vorteil
Den Tieren behagen die höheren Temperaturen sehr: Regelmäßig beobachten wir inzwischen in Deutschland Insekten, die zuvor nur alle paar Jahre einmal den Weg über die Alpen gefunden haben. Dazu gehören der Oleanderschwärmer, der Segelfalter oder das niedliche Taubenschwänzchen, das wie ein Kolibri an warmen Mittsommertagen von Blüte zu Blüte schwirrt. Und auch ausgesprochene Nützlinge wie der Asiatische Marienkäfer, der in Massen Blattläuse vertilgt, überlebt nun im Freien. Zum Leidwesen des Gärtners werden sich auch Wühlmäuse und Schnecken besser vermehren, manche Insekten entwickeln mehr Generationen pro Jahr. Deswegen muss man wachsam sein und rechtzeitig gegensteuern.
Bislang unbekannte Schädlinge suchen uns jetzt schon heim. Der Baumwoll-Kapselwurm frisst Löcher in die Blätter von Rosen und Tomaten. Die Grüne Reiswanze nagt an Früchten von Tomaten, Gurken und Auberginen. Amerikanische Kirschfruchtfliegen schädigen spät blühende Süßkirschensorten, die von der Europäischen Kirschfruchtfliege bislang verschont wurden. Andere Schaderreger an Pflanzen werden folgen und uns ärgern.
Dafür allerdings gehen vermutlich die Probleme mit Falschem Mehltau zurück: Er entwickelt sich nur, wenn für eine bestimmte Zeitspanne das Pflanzengewebe benetzt ist. Diese Situation wird seltener eintreffen. Doch die höheren Temperaturen im Sommer begünstigen andere pilzliche Krankheitserreger wie Rost und Echter Mehltau.